Der deutsche Weinmarkt wirkt gerade wie im Umbruch. Wofür steht Odinstal heute, wenn du es in wenigen Worten destillieren müsstest?
Andreas Schuhmann: Ich denke, dass wir nach wie vor einer der Pionierbetriebe in Deutschland für biodynamischen Weinbau sind, der auf einzigartigen Terroirs arbeitet und den Begriff Nachhaltigkeit ganzheitlich auf allen Säulen ausfüllt.
Wenn du an „großen Wein“ denkst – was heißt das für dich? Ist es Handwerk, Emotion, Präzision … oder etwas ganz anderes?
Andreas Schuhmann: Es ist die Kombination aus mehreren Faktoren. Selbstredend muss es handwerklich perfekt gemacht sein und auf jeden Fall auch ethisch korrekt hergestellt, mit den minimal möglichen negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Und selbstverständlich nur aus Trauben und ganz wenig SO2. Dazu muss er mich natürlich berühren. Das können auch reine Spaßweine. Großer Wein wird’s, wenn dazu Eleganz und Präzision kommen.
Klimawandel verändert die Spielregeln im Weinbau radikal. Odinstal liegt kühl und geschützt, fast wie ein eigenes Biotop. Ist das eher euer Vorteil – oder bringt es auch neue Herausforderungen, die man von außen gar nicht so sieht?
Andreas Schuhmann: Beides. Seit 2024 bewirtschaften wir auch wärmere, kalkreiche Lagen in Herxheim – wir kennen also beide Extreme. Das Odinstal ist eine ökologische Nische: Wald und Wiesen sorgen für nächtliche Abkühlung und Tau, was in Dürrephasen hilft, aber auch Mehltau begünstigt – eine ständige Herausforderung. Wirtschaftlich kommen geringe Erträge von 30–40 hl/ha und große, nicht ertragsbringende Biodiversitätsflächen hinzu. Jede Flasche Odinstal steht also auch für den Erhalt von Natur und Vielfalt.
Was ist deine persönliche Definition von Terroir – und wie spiegelt sie sich in euren Weinen wider?
Andreas Schuhmann: Bei Terroir geht es für mich um die Nachvollziehbarkeit des Ortes im Glas – wie sich Geologie, Boden und Klima im Wein zeigen. Dazu kommen regionale Vinifikationskulturen, die den Stil prägen: fruchtbetont (z. B. Beaujolais oder Mosel) oder gerbstoffgeprägt (z. B. Piemont oder Friaul). In unseren Weinen lässt sich das leicht erkennen: Riesling vom Buntsandstein ist zitrisch und fruchtig, vom Muschelkalk kreidig, vom Basalt rauchig-speckig mit exotischer Note.
Du bist eine der progressivsten Stimmen der deutschen Weinszene. Was müsste sich deiner Meinung nach bei Winzer:innen – und vielleicht auch bei Händlern – noch bewegen, damit Wein wirklich im Heute und bei einer jüngeren Zielgruppe ankommt?
Andreas Schuhmann: Unsere Kommunikation muss ehrlicher und näher an den Menschen sein. Wir müssen nicht so tun, als gäbe es keine Vollernter – über 90 % der Pfälzer Flächen werden damit gelesen. Wer Wein für unter 10 € trinkt, sollte wissen, dass Handlese da schlicht nicht möglich ist, ohne Ausbeutung in Kauf zu nehmen. Gleichzeitig braucht niemand wissen, nach welcher Sorte Rosenthymian ein Wein riecht – das ist abgehoben und irrelevant. Wichtig ist: Der Wein soll gut tun. Und: Wer Wein kauft, unterstützt mehr als nur ein Getränk – nämlich Kultur, Landschaft und Biodiversität.