Wein Herstellung: So wird Naturwein gemacht
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Wie wird Wein eigentlich hergestellt? Und was ist der Unterschied von industriell hergestellten Weinen und Naturweinen? Wenn man die Wein Herstellung wie Kochen betrachtet, sind die Ernte und die Arbeitsmethoden im Weinberg wie deine Zutaten. Je genauer und sorgfältiger du arbeitest, desto qualitativ hochwertiger werden die Trauben und der gekelterte Wein. Man sagt nicht ohne Grund, dass gute Weine im Weinberg gemacht werden. Neben akribischer Handarbeit im Weinberg gehört aber noch mehr Fingerspitzengefühl dazu. Hier erfährst du alles zur Wein Herstellung von Naturweinen.
Peter Bernhard Kühn bei der Riesling Ernte im Rheingau, Deutschland
Handernte vs. maschineller Vollernter
Schon bei der Ernte entscheidet sich die Qualität eines Weines, denn jede nachfolgende Phase darauf festigt das Ausgangsmaterial. Die Wein Herstellung kann man mit dem Kochen vergleichen, wo jeder nächste Schritt und Zustand über den Geschmack am Ende entscheidet. Bei Trauben muss man jedoch viel vorsichtiger sein, deshalb werden Naturweine sorgfältig mit der Hand in kleinen Boxen, bereits streng im Weinberg selektiert und am Morgen bei kühleren Temperaturen geerntet. Die Handlese ist für einen Naturwein unabdingbar und wird am Etikett meistens nicht angegeben, da sie für die Community selbstverständlich ist.
Konventionelle Betriebe hingegen ernten mit hochtechnisierten Erntemaschinen und sammeln alles ein, was ihnen unterkommt. Von Vogelnestern bis Insekten, faule Trauben und Äste. Das fatalste? Sie zerstören die Trauben. Sobald die Haut einer Traube reißt, beginnt der Saft zu oxidieren und wird zum Hort von Bakterien. Das ist der Grund, warum Weingüter, die maschinell arbeiten, mehr Zusatzstoffe und mehr Sulfite verwenden müssen, oft auch unmittelbar nach der Ernte vor der Gärung. Ein fataler Eingriff in Geschmack und Herkunft.
Auf den Punkt:
Die Wein Herstellung von Naturwein erfolgt mit sorgfältiger Handernte, Spontangärung mit eigenen Hefen, ohne Zusätze und die kompromisslose Reifung, bis der Wein sich von alleine stabilisiert.
Handernte mit kleinen Kisten bei Pranzegg in Bozen, Südtirol
Entbeeren vs. Ganztraube: Start der Gärung
Nach der Ernte werden die Trauben auf einem Sortiertisch oder auf einem Rüttelpult von den Stielen getrennt - auch Abbeeren oder Entrappen genannt. Das wird grundsätzlich mit den meisten Trauben gemacht. Es gibt jedoch Ausnahmen bei Rosé- und Rotweinen, da Winzer:innen je nach Stil entscheiden, ob sie Trauben und Stiele als Ganztraube angären (manchmal auch komplett mitgären) oder nicht, welche dem Wein oft mehr Struktur und grüne Tanninen verleihen. Wie das schmeckt, kannst du bei den Naturweinen von Karl Schnabel oder Zorjan herausfinden. Nach dem Abbeeren werden die Trauben - mit oder ohne Stiele - in einen Behälter gegeben, das kann ein großes Holzfass, Stahltank oder ein Betontank sein.
Ähnlich wie bei der Sauerteigherstellung, gibt es einige Winzer:innen, die einen Gärstarter verwenden, der im Französischen als pied-de-cuve bezeichnet wird. Bevor die eigentliche Ernte beginnt, zerdrückt man eine kleine Menge Trauben in einen kleinen Behälter, den sie manchmal leicht erwärmen, um die Gärung einzuleiten. Ist er in Takt, wird er zu den anderen Trauben gegeben und die Gärung in Gang gesetzt.
Hier kommt auch das allseits bekannte Treten der Trauben mit den Füßen zum Einsatz. Die Methodik sorgt dafür, dass sich der Saft schneller mit den Schalen verbindet und der Wein mehr Struktur bekommt. In vielen Weinregionen wird dieser Prozess zelebriert. Eine Foulage wird meistens bei Rot- und Orange-weinen durchgeführt.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Temperatur, denn heiße Trauben können zu chaotischen Gärungen führen. Manche Naturwein Winzer:innen ziehen es vor, ihre Trauben vor dem Abfüllen zwölf bis vierundzwanzig Stunden lang zu kühlen.
Während die Trauben in den Gärbehältern auf den Start der Gärung warten, herrscht bei den Winzer:innen große Aufmerksamkeit und Sorgfalt. Wie ihr sicher wisst, vergären Naturweine spontan mit den Weinbergs eigenen Hefen, das kann manchmal schneller passieren, manchmal langsamer.
Konventionell hergestellte Weine werden an dieser Stelle bereits mit künstlichen Reinzuchthefen versetzt, der Ursprungsgeschmack geht somit direkt verloren und der Wein erhält eine plakative Frucht Aromatik.
Maischestandzeit: Die Extraktion
Die Trauben sind im Tank oder Fass angekommen und ob entrappt oder nicht, beginnt der Saft die Farbe, Tannine und Aromen aus den Schalen aufzunehmen. Für Winzer:innen ist es der Zeitpunkt, den jeweiligen Stil des Weins festzulegen. Von Weißweinen mit kurzem bis keinem Schalenkontakt zu intensiven, bernstein-farbenen Orange-weinen mit teilweise wochenlangen Skin contact, hier trennt sich die Spreu buchstäblich vom Weizen - und der Gerbstoff aus der Beerenhaut. Eine Art Ritual, eine geheimnisvolle Transformation.
Einer der Meister darin ist Bozidar Zorjan aus Slowenien, seine Orange-weine, welche 1 Jahr mit der Ganztraube in Dolium Amphoren vergoren werden, sind Naturweine von aller höchster Güte. Aber auch Hartmut Aubell vom Rebenhof in der Steiermark spielt mit der Maischestandzeit wie ein Künstler. In Deutschland zeigt uns Georg Lingenfelder mit seinem aromatischen Morio, wie man Aroma Rebsorten mit Gerbstoff bändigt.
Silt 2015 von Rebenhof, Hartmut Aubell Kein Glou-glou Orange, das ist elegant, ruhig und mit sehr feinem Gerbstoff ausgestattet. 2015 mag alt klingen, allerdings strahlt der Wein eine beachtliche Frische und Energie aus. Ein Unikat, ein Paradebeispiel. "Kein Tag ohne Silt" - Hartmut Aubell |
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Morio 2022 von Georg Lingenfelder Die 45 Jahre alten Morio-Muskat Reben zaubern eine tiefe, einladende Aromatik ins Glas — zart blumig mit Orangen- und Zitronenschalen begleitet von einer feinen Gerbstoffstruktur mit saftigem Mundgefühl! |
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Lazki Riesling 2020 von Bozidar Zorjan Raffiniertes Gold in Flüssigform: Würzig und rauchig mit geballter Ladung Aromatik, die vom Gerbstoff wunderbar im Zaum gehalten wird. Absoluter Endgegner Orange-wein, der sich über Wochen weiterentwickelt. Unbedingt dekantieren! |
Roséweine werden entweder direkt mit dem freilaufenden Saft oder nach sehr kurzer Maischestandzeit von Rotwein Trauben hergestellt und direkt gepresst.
Pinot Noir Maische bevor dem Abpressen bei Kolònia 52 in Ungarn
Möchte man einen dichten und strukturierten Wein, können Winzer:innen eine Pigéage oder Pumpovers durchführen. Der Begriff Pigéage steht für das Stampfen der Traubenmasse, damit sich der Saft mit den Schalen verbindet und der Oberfläche der Schalen erneut Feuchtigkeit zugesetzt wird. Je häufiger man das macht, desto intensiver kann ein Wein werden, weil mehr Gerbstoffe freigesetzt werden. Bei den Pumpovers wird prinzipiell der Saft von unten auf die Schalen geschüttet, um sie vor dem Austrocknen zu schützen.
Was ist die Carbonic Maceration?
Klingt erstmal sehr technisch, ist jedoch relativ einfach zu verstehen. Auch Kohlensäuremischung genannt, ist die Methodik in ihrer klassischen Form eine Gärung mit unbeschädigten Ganztrauben in einem luft-abgeschlossenen und CO2-freien Tank. Das heißt, dass die Gärung des Saftes in der Traubenschale selbst passiert, ohne dass diese vorher zerquetscht wurde. Oha! Grundsätzlich erreicht der Saft meistens 1 - 3% Alkohol, bevor er abgepresst wird.
Die Methodik wurde erstmals vom Önologen Michel Flanzy erläutert und von Jules Chauvet - einem der Begründer der Naturwein Bewegung - im Französischen Beaujolais in den 1980er Jahren weiter untersucht und steht für einen äußerst fruchtigen Weinstil. Heutzutage experimentieren viele Winzer:innen mit dieser Methode und erschaffen spannende Weinstile. Im Drops Sortiment findest du solche Weine von Peter Nagyvaradi, Yvon Metras oder Naboso.
Wie schmecken Weine mit Carbonic Maceration? Im Großen und Ganzen teilen sich die meisten Weine dasselbe Geschmacksprofil: weiche Tannine und kandierte Früchte. Unterm Strich: Fruit-forward! Lange Kohlensäure Mazerationen können äußerst langlebige, tiefgründige Weine mit erdigem Charakter hervorbringen.
Unsere Carbonic Maceration Empfehlungen:
Monoslou 2022 von Peter Nagyvaradi Duftende Erdbeer-Kirsch Combo mit feiner pfeffriger Würze! Leichtfüßig und stimmig, mit etwas Luft wird das phänomenal. Ein feiner Blaufränkisch, der für das moderne Ungarn steht! |
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Beaujolais 2022 von Yvon Metras Der saftigste und leichteste von den Metras Weinen, jedoch mit einer beachtlichen Spannung und Länge. Dunkle Sauerkirschen und duftende Erdbeeren gepaart mit erdiger Würzigkeit - Wow! |
Das Pressen
Bei der Wein Herstellung von Weißwein würde man wie oben beschrieben direkt pressen, bei Rosé, Rot- und Orange-weinen muss man die Trauben aus dem Tank holen und in die Presse geben. Sind die Trauben in der Presse, wird der Saft aus den Trauben gepresst und eine trockene Masse aus gepressten Schalen, Kernen und Stielen - auch Trester genannt - bleibt zurück. Der Pressvorgang selbst ist von ungeschätzter Bedeutung, da die Dauer und der Druck unterschiedliche Intensitäten und Stile hervorbringen können.
Von pneumatischen Großpressen bis vertikale und horizontale Korbpressen, die wohl bekannteste ist die Fußpresse, Zwinker! Ein Merkmal hochwertiger Wein Herstellung ist grundsätzlich ein langsames Pressverfahren. Sie ermöglicht es dem frischen Saft, die Traubenmasse zu filtrieren und sich dabei mit atmosphärischen Hefen anzureichern und zu stabilisieren. Fast alle Winzer:innen geben an, langsam zu pressen. Aber wie langsam? Einige betrachten drei Stunden als langsam, während andere zwölf bis vierundzwanzig Stunden pressen.
Der Most ist trüb, süß und reich an Hefe. Wie er behandelt wird und wie viel Sauerstoff er in dieser Phase sieht, kann den Charakter eines fertigen Weins erheblich beeinflussen. Konventionelle Winzer:innen würden an dieser Stelle bereits Sulfite anreichern, um ihn vor Oxidation zu schützen. Naturwein Winzer:innen verzichten grundsätzlich darauf, Ausnahmen gibt es in der Champagne.
Gärung und Reifung
Der Saft wurde ausgepresst und wird nun in den jeweiligen Behälter für die weitere Gärung und Reife gefüllt. Von kleinen Fässern bis großen Stahltanks, hier verbringt der Most die meiste Zeit, bevor der Wein abgefüllt wird - zu Deutsch ist das die Reife auf der Vollhefe. Die alkoholische Gärung hat bereits begonnen und die Hefe wandelt den Zucker weiter in Alkohol um. Parallel oder kurz danach erfolgt eine weitere: die malolaktische Gärung. Hier wird die harte Apfelsäure von Milchsäurebakterien in Milchsäure umgewandelt.
Nachdem der Wein den Gärungsprozess durchlaufen hat, unterzieht er sich während seiner Reifung weiteren Wandlungen. Farben stabilisieren sich, der Wein wird klar, ganz ohne Filtration – im Französischen nennt man diesen Prozess élevage.
Elisabetta Foradori im Amphorenkeller in Trentino, Italien
Wie lange der Wein reift und in welcher Art von Gefäß, ist für Winzer:innen eine Philosophie und Stilfrage. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass bei Anhängern natürlicher Wein Herstellung die Dauer der Gärung und des Ausbaus in direkter Harmonie mit den individuellen Bedürfnissen des Weins steht. Jedes Jahr gibt es neue Fragen und Antworten. Naturwein Winzer:innen agieren dabei in Anlehnung an ihre eigenen Kreationen, vergleichbar mit Köch:innen.
Konventionelle Winzer:innen im Vergleich ergreifen Maßnahmen, um den Gärungs- und Reifeprozess zu standardisieren und zu beschleunigen. Dies schließt unter anderem die Verwendung kommerzieller Hefen, Zugabe von chemischen Nährstoffen und die Inokulation des Weins mit Milchsäurebakterien ein.
Abstich und Füllung
Falls der Wein noch im selben Jahr wie die Ernte abgefüllt wird, nennt man ihn weitläufig Vin Nouveau oder Vin Primeur - bekannt aus dem Beaujolais. Die meisten Weine reifen jedoch bis ins Frühjahr oder kurz vor der nächsten Ernte, bevor sie abgefüllt werden.
Wie füllt man nun den klaren Wein in die Flaschen? In der Regel werden die Weine aus dem Reifebehälter genommen und vor der Abfüllung in einen neuen (oft größeren) Behälter umgefüllt. Dies homogenisiert individuelle Wein Chargen und unterschiedliche Fässer, die während der Reifezeit voneinander abweichen können. Es entfernt auch die abgesetzten Hefen. Dieser Prozess wird Abstich genannt und es stellt den letzten Moment für Interventionen oder Änderungen dar.
Bei konventionellen Betrieben wird der Wein noch marktkonform geschönt, filtriert und hohe Schwefeldosagen verabreicht - jegliche Energie und Lebendigkeit wird den Weinen dadurch genommen.
Im Gegensatz dazu verzichten Naturwein Winzer:innen selbstverständlich auf jegliche Filtrationen und füllen den klaren Wein mit einer kleinen Schwefelbeigabe oder ohne. Eine Philosophie Frage, für manche. Die Menge variiert je nach Jahrgang und Zustand des Weines. Dieser entscheidende Prozess unterscheidet Spitzenweine von mittelmäßigen.
Es gibt unterschiedliche Praktiken und Herangehensweisen für den Abstich. Die ideale Methode ist der Schwerkraftabstich, welche jedoch in kleinen Kellern aufgrund der Größe nicht immer möglich ist. In der Praxis wird der Abstich daher meist mit Hilfe von Pumpen durchgeführt - eine einfache Methode, die aber viel Aufmerksamkeit und Geschick erfordert. Grundsätzlich hat jeder Winzer seine eigene Methodik. Einige greifen auf zeitgenössische Technologien zurück, während andere sogar von Hand füllen.